Keine Zukunft ohne Bildung

Bildung dient nicht primär dazu, berufliches Vorankommen zu garantieren, sie hilft, Orientierung im Alltag zu geben. Und diese Orientierung ist in einer zunehmend komplexeren und durch Fake-News verwirrten Welt wichtiger denn je.

 

Ausbildung ist der Rucksack, den man durch die Arbeitswelt trägt. Und bis vor einiger Zeit ließen sich mit diesem Rucksack ganze Karriere-Berge erklimmen. Ausbildung war zeitlich begrenzt gedacht. War sie einmal abgeschlossen, war Mensch fertig für den Beruf. Es hatte sich sozusagen aus-gebildet.

Heute reicht ein einmal gepackter Ausbildungs-Rucksack meist nicht mehr aus, um damit die gesamte Strecke des Arbeitslebens zu durchwandern. Internet, Digitalisierung, freiwillige oder erzwungene Flexibilität bei der Arbeit machen Weiterbildung immer öfter notwendig, um sich am Arbeitsplatz zu behaupten. Weiterbildung ist das Stichwort des 21. Jahrhunderts. Doch genauso wie die Ausbildung ist sie zielgerichtet: Am Ende steht die Qualifikation bzw. Höherqualifikation für einen bestimmten Beruf.

 

Immer mehr in den Schatten des berufsorientierten Lebens gerät hingegen die Bildung. Sie ist vielschichtig, ihr unmittelbarer Wert für das Berufsleben oft nicht erkennbar. Durch die ökonomische Brille betrachtet, erscheint Bildung daher oft wertlos, ja unnütz und daher verzichtbar.

Die Debatte um den Wert der Bildung hat auch die Schulen erreicht. Dort lernen die jungen Leute einen Kanon an Wissenschaften kennen, der von Biologie über Geografie bis Sprachen reicht. Das gibt ihnen die Möglichkeit, Interessen zu entwickeln und zu erkennen, wofür ihr Herz schlägt. Aber ist dieses Wissen relevant für die Zukunft der Kinder? Nein, könnte man sagen, da ein Großteil der Schüler im Zuge ihrer beruflichen Laufbahn nie wieder etwas mit Biologie oder Physik zu tun haben wird. Nimmt man nun die ökonomische Brille ab, lässt sich die Frage aber mit einem klaren Ja beantworten. Denn: Ein guter Physikunterricht kann verhindern, dass diese Menschen später unsinnige Verschwörungstheorien wie „Flat Earth“ hereinfallen.

Und damit sind wir beim Wesen von Bildung. Sie dient nicht primär dazu, berufliches Vorankommen zu garantieren, sie hilft, Orientierung im Alltag zu geben. Und diese Orientierung ist in einer zunehmend komplexeren und durch Fake-News verwirrteren Welt wichtiger denn je. Zu begreifen, wie Medien und Politik funktionieren, die Grundlagen der Naturwissenschaften zu verstehen, ein Gefühl für historische Entwicklungen zu haben, in der Lage zu sein, eine Quelle kritisch zu analysieren – das alles schützt davor, Dinge blind zu glauben und den Hetzern und Scharlatanen auf den Leim zu gehen.

Wer nicht mehr zwischen einer gut recherchierten Nachricht, Wahlkampfpropaganda und Verschwörungstheorie unterscheiden kann, muss alles glauben und wird am Ende nichts verstanden

haben. Das ist auch ökonomisch nicht gesund, denn um die Wirtschaft voran zu bringen, brauchts einen klaren Blick auf die Welt. Bildung sollte daher weiterhin über die Schulen für jeden zugänglich sein und – ähnlich berufliche Weiterbildung – auch in Form kritischer Erwachsenenbildung gefördert werden,

Bildung ist der Rahmen, durch den wir auf die Welt blicken. Je größer der Blick auf das Weltbild ist, desto mehr können wir wahrnehmen und verstehen. Ermöglicht und die Aus- und Weiterbildung den Karriere-Berg zu erklimmen, sorgt die Bildung dafür, dass wir am Weg hinauf später am Gipfel auch eine entsprechende Aussicht genießen können. Für ein gelungenes Leben braucht es beides.

(siehe: Sheconomy, S. 49 –  Ausgabe 2 | 2021, Claudia Stadler)